Paar-Geflüster – Kommunikation in der Paarbeziehung

Was wir als Coaches den Paaren immer wieder ans Herz legen, was in Büchern, Vorträgen und Seminaren beschrieben, trainiert und gepredigt wird – sie ist soooooo wichtig: die Kommunikation in Paarbeziehungen.
In der Tat, da gibt es nichts zu rütteln und all die Tools und Strategien sind sinnvoll und es lohnt sich, hier zu investieren, auszuprobieren und mutig über die eigenen Gewohnheiten hinaus zu Reden.

Einen «Schatten» den ich bei mir und in vielen Beziehungen oft entdecke: sobald mich ein Thema persönlich berührt, an einem Ort an dem ich besonders verletzlich bin oder einen besonders dunklen Fleck (Tabu) habe, dann wird’s brenzlig. Alle Konzepte, die Logik und Sinnhaftigkeit drohen vergessen zu werden und Muster aus dem Unterbewusstsein übernehmen die Kontrolle.

Hier habe ich für mich und meine Liebesbeziehung und als Coach für meine Klient*innen ein Werkzeug gefunden und weiterentwickelt:

Integrales Sharing in Beziehungen

Sharing heisst teilen, sich der/m Partner/in mit-teilen, zumuten. Es ist ein kraftvolles Tool, um in Beziehungen Vertrauen, Transparenz und Lebendigkeit zu generieren und zu erhalten. Das Geheimnis dieser Kommunikationsform liegt im sicheren Raum, der durch die besondere Struktur generiert wird.
Oft reduzieren Paare ihre Kommunikation aus Angst vor Verletzungen und Überforderung. Vieles bleibt unausgesprochen. Es entstehen Missverständnisse und Gräben aus Schweigen.
Das Versprechen, sich regelmässig zum Sharing zu treffen und sich an die Vereinbarungen zu halten, schafft Vertrauen und die Möglichkeit, tiefe Gräben zu überwinden.

1. Vereinbarung
Eine der grössten Verletzungen bei Paaren ist das physische oder emotionale Verlassen des Partners, der Partnerin. Für gegenseitiges Vertrauen sind die verbindlichen Vereinbarungen die Grundlage.

  • Regelmässigkeit/Präsenz: Am besten treffen sich die Paare wöchentlich zwei mal für eine ¾ Stunde ungestörtes und ununterbrochenes Zwiegespräch. Falls jemand den Termin nicht einhalten kann, ist er/sie besorgt für den Ersatztermin.
  • Themen: „Was bewegt mich im Moment am Stärksten?“ Du teilst Deine momentane Befindlichkeit, keine alten Geschichten. Dabei gibt es keine Einschränkung was Du mitteilst und was nicht. Je authentischer und offener Du jedoch bist, desto mehr öffnet sich Dein Gegenüber.
  • Ich-Botschaft: Du erzählst von Dir, Deinen Gefühlen, Gedanken und körperlichen Symptomen. Dabei hältst Du Deine Augen gesenkt, bleibst bei Dir. Du vermeidest jegliche Form von Anschuldigungen, Rechtfertigungen oder Fragen.
  • Reaktion: Du vermeidest jegliche Reaktion (verbal und nonverbal) auf das was Dein Gegenüber gesagt hat. Keine Diskussion, Rechtfertigung, Richtigstellung, Rat-Schläge.
  • Verantwortung: Für Deine Gefühle, und Deine Gedanken, sowie das was Du sagst, auch für den Erfolg des Sharings trägst Du die volle Verantwortung.

2. Ablaufempfehlung

  • Setting: Kleines Ritual, A bereitet den Platz vor (z.B. Kissen am Boden oder Stühle, Kerze in der Mitte). Beim nächsten Sharing bereitet B den Platz vor. A und B sitzen sich pünktlich zur vereinbarten Zeit gegenüber. Den Abstand wählen beide so, dass sie im Kontakt bleiben, sich jedoch nicht bedrängt fühlen. Beide senken beim Sharing die Augen um ganz bei sich zu sein.
  • Zeitpunkt: Am besten findet das Sharing am Abend statt, ohne dass danach noch Aktivitäten geplant sind (Verdrängung). Wenn es zu Ende ist, ist es zu Ende (das Mitgeteilte wird 24 Std. nicht angesprochen). Empfehlung: ein Spaziergang, schweigend, alleine, danach schlafen ohne TV, ohne Lesen, ohne Sex.
  • Dauer: Nach einer kurzen Einstimmung in Stille (5 —10 Min.) beginnt A sich mitzuteilen. Die 1. Runde dauert im Minimum 15 Minuten (kann auch Schweigend genutzt werden). Nach einer kurzen Pause kann sich A in einer 2. Runde mitteilen (frei, solange es dauert). A beendet sein Sharing mit „ich habe gesprochen“ oder „aho“; B bestätigt, A gehört zu haben, dann ist das erste Sharing zu Ende. 
  • Rhythmus: Das Sharing (B) findet frühestens einen Tag später statt (spätestens drei Tage später). Das Setting findet in umgekehrter Reihenfolge statt (B bereitet den Platz vor und teilt sich mit). Sinnvollerweise finden die beiden Sharings innerhalb einer Woche statt, mindestens jedoch ein Sharing pro Woche. 

3. Stolpersteine

  • Erwartungen: Auch wenn Du nur von Dir sprichst, insgeheim aber erwartest, dass sich das Gegenüber durch Deine Aussagen ändert (Strategie), besteht die Gefahr einer Enttäuschung (das Ende einer Täuschung).
  • Projektionen: Wenn Du davon ausgehst, dass Dein gegenüber die gleichen Schlüsse zieht wie Du, gleiche oder ähnliche Wünsche hat wie Du, gleiche oder ähnliche Konditionierungen hat wie Du, wirst Du Dich vermutlich oft täuschen. Da lohnt es sich, erst mal bei sich selber zu prüfen, ob es nicht das eigene Muster ist, welches Du auf Dein Gegenüber projizierst.
  • Verhinderung: Der innere Saboteur versucht oft das Sharing zu verhindern, da wir unbewusst meist lieber im Alten verhaftet bleiben, als Neues auszuprobieren. Deshalb lohnt sich Regelmässigkeit und Disziplin in jedem Fall. Mit Routine wird das Klima entspannter und die Qualität immer besser. 
  • Opfer/Täter: Alte Übertragungen von Opfer-, Helfer- und Täterrollen von Mann und Frau führen immer wieder zum Zwang, die Unschuld zu beweisen, zu rechtfertigen, zu verurteilen. Das sind alte, nutzlose Gewohnheiten, um von der eigenen Verantwortung abzulenken. Diese streichen wir ersatzlos.

4. Essenzen

  • Mute Dich zu: Das braucht Mut bei der Person, die spricht – und Gnade bei der Zuhörenden Person! Die Magie des sich Zumutens ist das Auflösen von alten, ungeprüften Annahmen, von trennenden Mauern und von schlafenden Potentialen. „Ich bin ich und Du bist Du – und ich zeige mich in meiner ganzen Grösse!“
  • Wahrheit: Wenn auf Deine Ansichten nicht gleich geantwortet wird (korrigiert oder dementiert), entspannt sich das Mitteilen. Wenn der Zuhörer seine Aufmerksam nicht auf Antworten lenken muss, bekommt er/sie viel mehr vom Sharing mit. Das Wissen um ungestörte Aufmerksamkeit entspannt den/die Sprecher/in und lädt mehr Wahrheit und Weisheit in seine/ihre Worte ein.
  • Nachhaltigkeit: Durch die Pause zwischen beiden Sharings wirkt das gesagte tiefer und wird nicht gleich durch eine Reaktion verdrängt. So können Wut, Angst und Enttäuschungen viel sanfter geteilt werden, wenn nicht gleich eine Diskussion darüber entsteht. 
  • Gefühle: Sind ein wesentlicher Bestandteil des Sharings und wollen gespürt und gehört werden. 
  • Intuition: Ist ein wesentlicher Bestandteil des Sharings. Sie drückt Deine tiefe Weisheit und die Anbindung zu einer höheren Macht aus. 
  • Psychohygiene: Regelmässiges Sharing bewirkt psychische Ausgeglichenheit und Integrität. Es verhindert aufgestaute Energien in Paar- und anderen Beziehungen. In jedem Fall entsteht dadurch mehr Verbindung und Intimität. 

nach Pablo Hess
mit Elementen aus Zwiegespräch von L.M. Moeller, 
geteiltes Gespräch von Dr. J. Schmidt 
und Transparente Kommunikation von Thomas Hübl